Der Gesundheits- und Sozialdienstleister Vitos denkt über dauerhaften Einsatz von Temi nach
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Auch die FAZ berichtet über Temi, den Pflegeroboter, bekannt aus einer Reportage des hr-Fernsehens, ausgestrahlt im Februar 2024.
Temi wurde während eines Pilotprojekts sechs Monate in einem Wohnverbund für Psychiatrie – Patienten in Mörfelden – Walldorf getestet. Obwohl das Projekt im Januar beendet wurde, wird der Roboter auf Anregung von Wohnverbundsleiter Andreas Schneider weiter genutzt. Vitos hat inzwischen entschieden, dass Temi in einer Wohngruppe in Mörfelden und auch in Einzelsettings bei Vitos Rheingau weiterhin eingesetzt wird.
Wenn Elena über „Temi“ spricht, kommt einem sofort der ideale Betreuer in den Sinn. Sie betont oft, dass er ihr bei einer Panikattacke hilft, sich zu beruhigen. Dies ist mit Schwierigkeiten verbunden, da Elena das Wohnheim mit 22 anderen auf Hilfe angewiesenen Bewohnern teilt.
Elena, 32 Jahre alt, zog im August letzten Jahres aufgrund ihrer Angstzustände in die Einrichtung. Dort erhält sie individuelle Betreuung und hat einen festen Tagesablauf. Sie gibt an, in Stresssituationen oft mit sich zu kämpfen zu haben. Ist gerade kein Mitarbeiter zur Stelle, ist Temi jederzeit verfügbar, um Elena abzulenken. So kann der Roboter in Notsituationen, wie z.B. Panikattacken, Hilfe rufen. Dies funktioniert bei Temi über Sprachbefehle. Es reicht, wenn Elena „Hilfe“ oder „Ich habe Angst“ ruft. Temi kontaktiert daraufhin einen Betreuer.
In wenigen Jahren wird die Zahl der Pflegekräfte beträchtlich reduziert sein
In den kommenden Jahren wird es an Hunderttausenden Pflegekräften mangeln. Die Pflegebranche kämpft schon seit langem mit erheblichen Personalengpässen und eine Verbesserung ist laut einer Analyse des Statistischen Bundesamtes nicht in Sicht. Bis 2049 soll der Bedarf an Pflegekräften im Vergleich zu 2019 um etwa ein Drittel auf rund zwei Millionen steigen. Die prognostizierte Anzahl verfügbarer Pflegekräfte wird jedoch deutlich geringer sein. Es wird mit einem Mangel von 280.000 bis 690.000 Personen gerechnet. Aus diesem Grund werden in Krankenhäusern und Altenheimen immer wieder Pflegeroboter getestet. Nun wurde der Assistenzroboter Temi erstmalig in einer Wohngruppe mit psychisch kranken Menschen erprobt.
Am Montagmittag spielt der Roboter „Deep House Chill“-Musik für die Bewohner im Speisesaal. Während die Pfleger andere Aufgaben erledigen, sorgt „Temi“ für Unterhaltung. Das Pilotprojekt endete offiziell im Januar, aber inzwischen ist entschieden, dass der Wohnverbund den Roboter weiterhin nutzen kann. Wohnverbundsleiter Andreas Schneider findet das gut.
Schneider drückt einen Knopf und der etwa 15 Kilogramm schwere Roboter Temi folgt ihm. Im Flur bleibt der Roboter stehen. Er hat keine menschenähnliche Gestalt, bewegt sich auf Rollen und besitzt weder Arme noch Beine. Aber auf seinem großen rechteckigen Display sieht man ein animiertes Gesicht mit großen Augen und einem freundlichen Lächeln, das manchmal auch Grimassen schneidet.
Sorgen am Anfang des Projekts
„Anfangs hatte ich einige Bedenken“, sagt Schneider. Viele Bewohner leiden unter Angststörungen oder Schizophrenie und er fürchtete, das animierte Gesicht von Temi könnte bei Verfolgungswahn Ängste auslösen. Diese Sorge teilte auch Projektleiterin Barbara Klein von der Frankfurt University of Applied Sciences. Da es keine Studien zur Nutzung von Telepräsenzrobotern bei psychisch Kranken gibt, rechnete sie mit allem. Entgegen allen Bedenken gewöhnten sich die Bewohner jedoch schnell an den Roboter.
„Zuerst war es zeitaufwendig, die Funktionen des Roboters zu erlernen“, sagt Sina Bohsung. Temi befände sich noch in der Entwicklung und sei zunächst gewöhnungsbedürftig. Doch Bohsung erkannte schnell das Potenzial. Inzwischen ist der Roboter ihr bei kleinen Aufgaben eine große Hilfe und beantwortet häufig gestellte Fragen der Bewohner. Manchmal gibt Temi auch freche Antworten, wie wenn Elena ihn nach einem Witz fragt und er antwortet: „Wieso sollte ich das tun?“
Die Entwicklung des Roboters soll schrittweise verbessert werden, um besser auf die Bedürfnisse der Bewohner einzugehen. „Das Projekt hat nur Erfolg, wenn es den Patienten nützt“, sagt Helmut Honermann, Geschäftsführer von PureSec. Temi ist flexibel anpassbar. In Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und Einrichtungen wurden neue Funktionen integriert, wie der Notfallknopf, mit dem Bewohner bei Angstzuständen das Pflegepersonal auf sich aufmerksam machen können. Außerdem ist Temi vor allem nachts eine wertvolle Hilfe, indem er die Bewohner beruhigen kann, bis ein Mitarbeiter verfügbar ist.
(Quelle: FAZ/13.05.2024/Wenn der Roboter Witze erzählt)
Sandra Kerber-Bender