Wie bekomme ich einen Pflegegrad zugesprochen?
Wenn die Leistungsfähigkeit durch Krankheit oder Alter abnimmt, fragen sich viele Menschen, ob sie bereits pflegebedürftig sind. Was aber genau ist zu tun, um eine eventuelle Pflegebedürftigkeit festzustellen, und welche Stellen sind in dem Fall zu kontaktieren? Gibt es bestimmte Kriterien, die zu erfüllen sind und Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten? Was erwartet mich während und nach der Begutachtung?
Inhaltsverzeichnis
Was muss ich tun, um Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten?
Zuerst ist ein Antrag bei der Pflegeversicherung zu stellen. Hier liegt der Zuständigkeitsbereich bei der Pflegekasse, die über die Kontaktdaten der jeweiligen Krankenkasse zu erreichen ist. Über einen Anruf oder eine E-Mail kann der Pflegekasse mitgeteilt werden, dass man die Pflegebedürftigkeit feststellen lassen bzw. Leistungen beantragen möchte. In der Regel wird dem Klienten daraufhin ein Antragsformular zugesendet. Bei Fragen zum Ausfüllen kann dieser sich an die Pflegekasse, den Pflegestützpunkt oder die VdK-Geschäftsstelle wenden.
Wie geht es nach der Antragstellung weiter?
Liegt der Pflegekasse das ausgefüllte Antragsformular vor, wird ein unabhängiger Gutachter, den sich der Klient nicht selbst aussuchen darf, oder der Medizinische Dienst (MD) beauftragt. Im Falle einer Privatversicherung wird ein Gutachter vom Medizinischen Dienst der Privaten (Medicproof) eingesetzt. Dieser überprüft die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit im jeweiligen Fall und ist für die Einstufung des Pflegegrads zuständig.
Was ist wichtig, um den Besuch des Medizinischen Dienstes vorzubereiten?
Der Hausbesuch des Gutachters wird rechtzeitig schriftlich mitgeteilt. Sinnvoll ist es, einen Angehörigen des Klienten mit dabeizuhaben, damit aus einer anderen Perspektive die Situation des Betroffenen dargestellt werden kann. Der Angehörige sollte mit der häuslichen Situation des Antragstellers vertraut sein und rechtzeitig kontaktiert werden. Manche Pflegekassen schicken vorab einen Fragebogen zum Ausfüllen, um die Befragung zu erleichtern.
Folgende Unterlagen sollten in Kopie bereitliegen:
- Medikamente und Medikamentenplan
- aktuelle Krankenhaus- und/oder Arztberichte
- Bescheide und Gutachten anderer Leistungsträger (z.B. Schwerbehindertenbescheid)
- Liste aller regelmäßigen Pflegetätigkeiten, wie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, Blutdruckmessen, Krankengymnastik
- Liste aller notwendigen Hilfsmittel (z.B. Rollator, Gehstock, Hörgerät)
- Liste aller notwendigen Pflegehilfsmittel ( z.B. Pflegebett, Bettschutzeinlagen)
- gegebenenfalls die aktuelle Pflegedokumentation des Pflegedienstes
- gegebenenfalls Informationen über bevollmächtigte Personen wie Betreuer und deren Aufgaben
- Notizen, was die antragstellende Person noch selbstständig kann und wobei sie Hilfe benötigt
- Notizen, was ihr Schwierigkeiten bereitet und wie sie sich eine Verbesserung in der Versorgung vorstellt
- sobald der Termin mit Gutachter klar ist, anfangen ein Pflegetagebuch zu führen
Was genau überprüft der Gutachter?
Der Gutachter überprüft anhand von sechs verschiedenen Modulen diverse Bereiche, wobei die noch vorhandenen Fähigkeiten in Abstufungen eingeteilt sind.
Folgende Bereiche werden bewertet:
- Mobilität, z.B. wie selbstständig die Fortbewegung stattfindet (Gewichtung 10 %)
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten, z.B. wie gut sich der/die Pflegebedürftige im Alltag zurechtfindet ( Gewichtung 15 %)
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, z.B. wie oft die Unterstützung anderer benötigt wird ( Gewichtung 15 %)
- Selbstversorgung, z.B. wie eigenständig sich der/die Pflegebedürftige noch versorgen kann ( Gewichtung 40 %)
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, z.B. ob der/die Pflegebedürftige notwendige Behandlungen wie die Einnahme von Medikamenten allein durchführen kann (Gewichtung 20 %)
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, z.B. wie selbstständig der/die Pflegebedürftige noch Kontakte pflegen kann (Gewichtung 15 %)
Wie wird der Pflegegrad ermittelt?
Mithilfe eines Punktesystems findet daraufhin die Ermittlung des Pflegegrades statt. Die sechs Module sind in verschiedene Kriterien unterteilt, die mit Punkten bewertet werden. Je stärker die Beeinträchtigung, desto mehr Punkte werden verteilt. Die Module werden verschieden stark gewichtet. Am Ende werden alle Punkte zusammengezählt. Bei einer hohen Punktzahl fällt dementsprechend auch der Pflegegrad hoch aus.
Beratung und Information
Ab dem Antrag auf Pflegebedürftigkeit haben sowohl pflegende Angehörige als auch die pflegebedürftige Person einen Anspruch auf kostenfreie und vertrauliche Pflegeberatung. Diese erfolgt durch einen qualifizierten Pflegeberater. Dafür sind die sogenannten Pflegestützpunkte oder die Fach- und Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände zuständig. Privat Versicherte können sich an die Compass private Pflegeberatung GmbH wenden.
Nach dem Antrag haben die pflegebedürftige Person und ihre Angehörigen zwei Wochen Zeit, sich von der zuständigen Pflegekasse beraten zu lassen. Zu diesem Zweck können Leistungs- und Preisvergleichslisten von regionalen Anbietern in den Bereichen Pflege, Hauswirtschaft und Betreuung angefordert werden. Der Zeitraum von zwei Wochen, in dem eine Pflegeberatung möglich ist, kann auf Antrag hin verlängert werden. Die Klienten erhalten entweder einen Vorschlag, wo die Pflegeberatung der zuständigen Pflegekasse abrufbar ist oder einen Gutschein für eine frei wählbare Beratungsstelle. Auf Wunsch kommt der Berater auch zum Pflegebedürftigen nach Hause.
Wichtig ist, gleich zu Anfang der Beratung einen individuellen Versorgungsplan zu verlangen. Passende und notwendige Hilfen werden dort aufgelistet. Beispiele dafür sind Gesundheitsförderung oder Rehabilitation. Ebenso werden im Versorgungsplan Maßnahmen, Zuständigkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten festgehalten.
In den folgenden Blogartikeln erklären wir, welche Leistungen bei den verschiedenen Pflegestufen bezuschusst werden und wie hoch dieser Zuschuss ist:
Beratungsstellen im jeweiligen Umkreis sind unter folgenden Links aufgeführt:
Quelle: Sozialverband VdK Ratgeber (Druckform)
Sandra Kerber-Bender